Ein Traum versinkt im Regen

04. März bis 11. März

Bei der Einreise nach Botswana gibt es das erste Miniproblem. Auf dem Einreisewisch sollen wir eine Adresse im Land eintragen. Als Camper haben wir die natürlich nicht. Also versuchen wir zu erklären, dass wir mit dem Auto unterwegs sind und daher keine dauerhafte Adresse angeben können. Die Grenzbeamte schaut uns nur verwirrt an und fragt erneut nach unserer Adresse im Land. Also das gleiche Spiel von vorn. Ohne Erfolg. Eine engagierte Kollegin ruft uns zu sich an den Schalter und fragt nach unserer Adresse. Das gleiche Spiel. Wieder kein Erfolg. Sie könne uns ohne Adresse nur 14 Tage Visa geben, statt der 30 Tage, die wir gern hätten. Sollte das nicht reichen, können wir uns in jeder Stadt an das Einwanderungsamt wenden und würden dort problemlos eine Verlängerung bekommen. Na hoffentlich wissen die in den Migrationsämtern davon.

Reisetipp: Wer ein Visa für 30 Tag benötigt sollte auf dem Einreiseformular einfach die Adresse irgendeines Campingplatzes oder Hotels angeben. Niemand liest diesen Zettel, sofern er komplett ausgefüllt ist. So bekommt man problemlos den Stempel für 30 Tage.

Kurz hinter der Grenze kommen wir in eine Polizeikontrolle. Der nette Polizist erklärt uns, dass die Straße nach Gaborone gesperrt sei, da durch den starken Regen eine Brücke weggespült worden sei. Das ist schlecht, denn wir sind spät und bis zum ersten Campingplatz ist es noch weit. Der Umweg über die A2 und A10 ist deutlich länger und stark frequentiert. Erst in der Dämmerung erreichen wir das Mokolodi Nature Reserve. Als wir die Preise für eine Übernachtung hören, fallen wir aus allen Wolken. Wir sind noch südafrikanische Preise gewöhnt. Im Vergleich bezahlen wir hier mehr als das Doppelte für eine Übernachtung. Der urige Campingplatz selbst liegt mitten in dem kleinen Reservat. An und für sich ist das super, nur ist es mittlerweile schon dunkel und wir verfahren uns auf der 3km Strecke mehrfach. Es stellt sich ein aufregendes Gefühl von Abendteuer bei uns ein, denn der Platz ist nicht umzäunt. Wir verbringen zwei Tage im Mokolodi und genießen vor allem die Einsamkeit und das Gefühl der Wildnis.

Wir wollen in den Norden Botswanas und so folgen weiter Tage im Auto. Links und rechts ist es eintönig grün. Unregelmäßige Slalomfahrten zwischen gelegentlichen Schlaglöchern und Nutztieren, die sich seelenruhig mitten auf der Hauptdurchgangsstraße ausruhen, bieten etwas Abwechslung. Und dann kommen wir in den ersten richtigen Regen. Zwei Monate war unsere Reise trocken (bis auf ein wenig Regen nachts). Jetzt schüttet es aus Eimern. Die Scheibenwischer kommen an ihre Grenzen und ich auch. Schlaglöcher, Tiere und der heftige Regen sind dann doch zu viel. Am Abend übernachten wir in Palapye. Der Campingplatz könnte sehr schön sein, doch der Regen macht den Platz zu einer einzigen Schlammschlacht. Nach dem Essen verziehen wir uns schnell in unsere Autos.
Geradeaus, grün und mit Löchern
Der Campingplatz in Palapye
Der Tag darauf sieht genauso aus. Tiere, Regen und ab und zu Schlaglöcher. Vor Nata ist die Straße richtig schlecht. Mit tiefen Löchern und Wasserdurchfahrten. Wenigstens ist es trocken als wir im Elephant Sands Camp ankommen. Eine noble Lodge deren Chalets um ein Wasserloch gebaut sind. Das bedeutet, dass es auch hier nicht eingezäunt ist. Als wir am Abend draußen sitzen höre ich ein Rascheln im hohen Gras. Es ist schwer in der Dunkelheit etwas zu sehen, doch etwa 30m von unserem Platz entfernt zeichnen sich die Konturen eines großen Elefanten ab. Trotz ihrer Größe sind sie sehr leise unterwegs und so konnte er sich im Dunkeln unbemerkt zwischen den Chalets durchschleichen. Es ist aufregend. Wir hier. Er dort. Dazwischen? Nur ein bisschen Gras. Kurze Zeit können wir ihn ungestört beobachten, bis die Touristen in der Bar auf ihn aufmerksam werden. Das folgende Blitzlichtgewitter (die unzähligen Schilder den Blitz abzuschalten interessieren niemanden) ist ihm scheinbar zu viel und er zieht wieder von dannen. Von diesem Erlebnis gibt es keine Bilder. Ohne Blitz wären sie sowieso nichts geworden. Ich versichere euch aber, dass es ein außergewöhnliches Gefühl ist einen wilden Elefantenbullen aus nächster Nähe zu sehen. Leider gibt es in den Elephant Sands keine Stormversorgung für Camper, weshalb wir nur eine Nacht bleiben (ohne externen Storm gibt unser Kühlschrank nach einem Tag den Geist auf).

Unser nächstes Ziel ist Kasane. Ganz im Norden von Botswana gelegen ist dieses kleine Örtchen Ausgangspunkt für Ausflüge zu den Victoriafällen und in den Chobe National Park. Papa holt sich noch ein Andenken, indem er ein Tempo-80 Schild übersieht und prompt geblitzt wird. Alles Diskutieren und Jammern nützt nichts, das Knöllchen gibt es trotzdem: 340 Pula etwa 30€ für 12km/h zu schnell. Die ganze Aktion läuft freundlich und vollkommen korrekt, von Schikane oder Korruption keine Spur.
Auf der Suche nach einem Campingplatz gibt es den ersten kleineren Eklat. Wir können uns nicht auf Anhieb auf einen Platz einigen, was mich unverhältnismäßig ärgert. Ich verteile lautstark eine Runde unverdienter Anschisse und ziehe mich dann schmollend ins Auto zurück. Offensichtlich setzen mir die kleinen Widrigkeiten und vielfältigen Belastungen der Reise doch mehr zu als ich es wahr haben will. Die anderen geben mir Zeit mich zu beruhigen, reagieren fürsorglich und ohne Vorwurf. Schließlich landen wir in Kasane in der Chobe Safari Lodge. Der intensive Regen macht aus dem verwinkelten Campingplatz ein Matschfeld und Mückenparadies.

Von hier aus starten wir am Tag drauf unseren Ausflug zu den Victoria Fällen, einem der drei größten Wasserfälle unserer Erde. Mit einem Kleinbus werden wir zur Grenze nach Zimbabwe gebracht. Dort steigen wir in einen einheimischen Bus um und weiter geht es zu den Vic Falls. Die Preise für den Ausflug sind unverschämt hoch. 60€ für den 75km Bustransfer. 30€ das Tagesvisum für Simbabwe. 30€ Eintrittsgeld, um die Fälle aus nächster Nähe zu sehen. Jeweils pro Person versteht sich. Doch wie alle anderen Touristen auch, zahlen wir um dieses einzigartige Naturschauspiel sehen zu dürfen. Zu dieser Jahreszeit führt der Zambezi, der hier auf einer Breite von 1700m über 100m in die Tiefe stürzt, besonders viel Wasser. Die Gicht der herabstürzenden Wassermassen lässt einen dichten Regenwald in unmittelbarer Nähe der Fälle gedeihen und durchnässt jeden Touristen bis auf die Unterwäsche. Selbst unsere (schweineteuren) Regenjacken können das nicht verhindern. Am Ende des Besuchs zeigt die Bilanz: 1cm Wasser in jedem Stiefel, von oben am Bein entlang reingelaufen. Klatschnasse Klamotten, inklusive Unterwäsche trotz „Regenjacke“. Zwei defekte Handys, trotz „Regenjacke“. Miese Stimmung, trotz beeindruckendem Weltnaturwunder.

Memo an mich selbst und Reisetipp #2: Bei einem Besuch der Victoria Fälle unbedingt alle elektrischen Geräte in wasserdichte Plastiktüten einpacken. Die Tasche einer Regenjacke ist nicht ausreichen! Wechselklamotten oder knöchellange, dichte! Regenmäntel. Die gibt es dort zu kaufen. Die Investition lohnt sich. Alternativ: Sportfunktionskleidung, um im Regen unter blauem Himmel zu tanzen und das Naturwunder in vollen Zügen zu genießen. Wechselschuhe oder Schuhe aus denen das Wasser ablaufen kann. Ich empfehle nach Papas Vorbild Sandalen.

Der Bus zurück nach Botswana geht erst in 3 Stunden, also spazieren wir in der schwülen Mittagshitze zur historischen Grenzbrücke nach Sambia. Von hier haben wir eine schöne Aussicht in die Schlucht, die der Zambezi über Jahrmillionen in den Stein gegraben hat. Wer möchte kann von der Brücke einen Bungee Sprung machen. Als wir schauen wer sich als nächstes in die Tiefe stürzt, staunen wir nicht schlecht. Wir kennen den Mann. Will Smith steht dort in einer Traube Menschen und lässt sich vor seinem Sprung feiern. Sofort kommt ein Schrank von einem Mann auf mich zu und gibt mir mit bösem Blicken zu verstehen die Kamera wegzupacken. Herr Smith wünscht keine Bilder von sich. Na gut, dann eben nicht.
Bevor es richtig nass wurde konnten wir noch Bilder machen
Bevor wir in den berühmten Chobe Nationalpark fahren, müssen wir wieder mal eine Kleinigkeit am Auto reparieren lassen. In einer „klassisch“ afrikanischen Werkstatt lassen wir Lecks im Dach ausbessern, damit es in Zukunft nicht mehr ins Auto regnet. Einer arbeitet, einer reicht an, fünf schauen zu. Durch unsere positiven Erfahrungen der letzten Wochen sind wir naiv und unvorsichtig geworden und fragen erst nach getaner Arbeit nach den Kosten. Die Strafe? Der Preis für trottelige, weiße Touristen: 800 Pula etwa 70 Euro. Nach einiger Diskussion „einigen“ wir uns auf 400 Pula und beide Seiten sind unzufrieden. Olé.

Da die Straße zur namibischen Grenze durch den Chobe führt, nehmen wir uns Zeit um den Park abseits der Hauptstraße zu erkunden. Man sagt uns am Eingang, dass südlich der Hauptstraße alle Pisten überflutet seien und wir uns nur nördlich, entlang des Flusses, bewegen sollen. Kaum kommen wir an den Chobe River hören wir sie und kurz danach sehen wir sie auch: Hippos. Duzende graue Fleischklöße suhlen sich im Fluss. (Funfact: Flusspferde sind die gefährlichsten Tiere einer Safari. Kein anderes Tier tötet im südlichen Afrika so viele Menschen wie das Flusspferd.) Kurze Zeit später liegt ein kleines Krokodil am Strand und sonnt sich. Die überschwemmten Pisten zwingen uns mehrmals umzudrehen und Alternativwege zu suchen. Und dann liegt sie da. Einfach so. Mitten auf der Straße und schaut uns an. Eine Löwin. Kerstin ist begeistert (quietsch, quietsch). Auch ich bin stärker beeindruckt als ich vorher erwartet hätte. Aus 3m Entfernung sehe ich erst wie verdammt groß und kräftig sie ist. Als sie sich entschließt zu gehen, kommt ein Männchen hinter dem nächsten Busch hervor und trottet hinter ihr her. Gemeinsam schlendert das Paar in Seelenruhe um die nächste Kurve und entzieht sich damit unseren neugierigen Blicken. Das war cool.
Hippos kommt man besser nicht zu nah

Direkt vor unserem Auto

Später haben wir noch das Glück von einem Duzend Giraffen umzingelt zu werden. Nach der Mittagspause tauschen Kerstin und ich die Plätze. Mein Heuschnupfen macht mich ziemlich fertig, weshalb sie mich vom Fahren befreit. Bis dahin finden wir von Elefanten allerdings keine Spur, obwohl allein im Chobe Park insgesamt 70.000 Grauhäute leben sollen (zum Vergleich: im Addo Elephant Park leben ca. 550 Elefanten). Erst kurz bevor wir den Park verlassen, steht eine kleine Gruppe an einem Wasserloch. Das war’s dann wohl mit unserer Story, die einzigen Touristen der Welt zu sein, die im Chobe Park keinen einzigen Elefanten gesehen haben. Der Größte von ihnen hat es sich neben der Straße bequem gemacht. Als wir langsam vorbei fahren wollen, scheint ihm das gar nicht zu passen. Er kommt auf die Straße und bäumt sich vor dem Auto meiner Eltern auf. „Kerstin fahr zurück! Rückwärtsgang! Schnell!... Weiter zurück!“. 50m später lässt der Bulle von uns ab. Das war gruselig. Im dritten Anlauf lässt er uns vorbei. Kerstin ist total aufgeregt und ein bisschen stolz, die Situation gut gemeistert zu haben. Zu recht. Kurz danach verlassen wir den Park und fahren über die Grenze nach Namibia. Selbst in der Regenzeit waren die wenigen Stunden im Chobe für uns ein aufregendes Erlebnis.
Antilopen sehen wir ohne Ende am Chobe Fluss

Kerstin freut sich über die Giraffen

Der untergegangene Traum:
In meinem Bericht von Botswana fehlt leider ein wichtiger Teil. Das Okovango-Delta. Vor der Reise war ein Besuch des größten Binnendeltas unserer Erde mein absolutes Highlight. Unberührte Natur, riesige Tierherden und eine einzigartige Landschaft wollte ich dort erleben. Die Folgen des starken Regens der letzten Wochen haben uns allerdings dazu gebracht das Delta nicht zu besuchen. Vorab haben wir erfahren, dass die Zufahrtsstraßen überschwemmt sein sollen. Welche Folgen das haben kann konnten wir auch gleich bewundern. Im Elephant Sands Camp stand ein großer Touristenbus, der auf dem Weg zum Delta bei einer Wasserdurchfahrt einen nicht reparablen Motorschaden erlitten hat. Wir sind keine Profis bei anspruchsvollen Geländefahrten und unsere Mietwagen sind nicht optimal für so eine Unternehmung. Bevor wir den kompletten restlichen Urlaub riskieren habe ich mich dazu entschlossen den Traum vom Okavango-Delta erstmal weiter zu träumen und es ein andermal in die Realität umzusetzen (Geheime Message an die Jungs: Wie steht’s? Interesse?).

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